HERE GOES INVISIBLE HEADER

Interview mit Robert Rymes

Interview mit Robert Rymes

Idee-BW Schülerinnen und Schüler werden zu Experten in Sachen "Neuen Medien" ausgebildet. Im Rahmen von Workshops geben sie ihre gewonnenen Kenntnisse und Fähigkeiten an ihre Mitschüler weiter. (Foto: Christian Reinhold / Landesmedienzentrum BW)

Netzperten – jugendliche Vorbilder

Seit fast drei Jahren ist Robert Rymes im "Ländle" unterwegs und bildet an Schulen sogenannte "Netzperten" aus. Bei dem von idee-bw geförderten Projekt lernen Schüler alles Wissenswerte rund um Internet, Smartphone und Cybermobbing. Nach Abschluss der Netzperten-Ausbildung sollen sie selbstständig jüngere Schüler aus der Unterstufe in Sachen Internet fit machen. Robert Rymes ist Diplom-Medienpraktiker beim Kreisjugendring Rems-Murr und berichtet uns in einem Interview über seine Arbeit mit den Schülern. Wir besuchten ihn beim Abschluss-Workshop einer Netzperten-Gruppe am Gustav-Stresemann-Gymnasium Fellbach.

  1. 1
    Die Themen
  2. 2
    WhatsApp – ein heikles Thema
  3. 3
    Wer darf mitmachen?
  4. 4
    Die Motivation
  5. 5
    Die Teilnehmer
  6. 6
    Chancen und Risiken – aus Sicht des Experten

Die Themen

Worum geht es bei den Netzperten?

Schülerinnen und Schüler aus der achten Klasse werden zu Experten in Sachen Internet fortgebildet. Sie sollen dann ihr Wissen an Schüler der Unterstufe weitergeben.

Welche Themen behandelt ihr inhaltlich?

Der Schwerpunkt liegt auf dem Jugendmedienschutz. Wir schauen uns Phänomene wie Cybermobbing an, wie man dagegen vorgehen kann und wie die rechtlichen Rahmenbedingungen sind. Urheberrechtliche Fragen, wie das Recht am eigenen Bild sind ein Thema ebenso wie soziale Medien. Wie kann ich mich darstellen, wie gehen wir da miteinander um – das sind unsere Themen. Wir machen aber auch praktische Medienarbeit, wenn auch zum kleineren Teil. Wir produzieren mit den Schülerinnen und Schülern Stop-Motion-Filme mit dem iPad und der iStopMotion-App. Damit kann man hervorragend in das Thema "medienrechtliche Rahmenbedingungen" einsteigen. In der aktuellen Gruppe habe ich die App Actionbound vorgestellt, mit der man Schnitzeljagden z. B. zum Thema "Neue Medien" anlegen kann. Die Netzperten sollen nicht nur vor der Klasse ein Referat halten können, sondern auch bei Schulveranstaltungen praktische Medienarbeit für andere anbieten.

Was sind die Lieblingsthemen bei Jungs und Mädchen?

Jungs haben eher Ahnung davon, wie ein Smartphone funktioniert und was es für Apps gibt. Sie kennen sich auch besser beim Thema "Downloads" und "Urheberrecht" aus. Die Mädchen interessieren sich eher für die Themen "Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken" oder "Kommunikation".

Bei welchem Thema hast du bei den Jugendlichen besonderen Nachholbedarf gesehen?

Ein Dauerbrenner ist der Umgang miteinander im Netz – Stichwort "WhatsApp-Gruppen". Es kommt immer wieder die Frage auf, in was für einem Ton man da miteinander „redet“ oder was man da postet. Wir besprechen auch wie man das "Zuspammen" (das Verschicken eine großen Anzahl von Nachrichten in kurzer Zeit an einen Empfänger, Anm. d. Red.) verhindern kann. Oder es wird überlegt, welche Aufgabe überhaupt eine WhatsApp-Klassengruppe erfüllen soll.

WhatsApp – ein heikles Thema

Von welchen Ereignissen kannst du da berichten?

Typisch ist, dass auf WhatsApp Streitigkeiten ausgetragen werden oder aus Langeweile private Informationen gepostet werden. Dabei kommen die wesentlichen Informationen gar nicht mehr durch, weil pro Tag über 500 Nachrichten verschickt wurden. Das will niemand alles durchlesen, sondern man meldet sich dann lieber aus der Gruppe ab, was eine völlig nachvollziehbare Reaktion ist.

Das Thema kam auch in der aktuellen Netzperten-Gruppe vor. Da kam die Frage auf, ob eine eigene WhatsApp-Gruppe für die Netzperten angelegt wird. Einige Schüler wollten das gar nicht, weil sie befürchteten, dass die Gruppe wieder vollgespamt wird.

Welche Regeln habt ihr aufgestellt?

Wir haben geklärt, um welche Themen es in solchen Gruppen gehen soll. Dass eben nicht aus Langeweile etwas Privates geposten werden soll, sondern nur alles Relevante zu den Netzperten. Ich habe versucht, auch den "Regel-Hardlinern" beizubringen, Verständnis dafür zu haben, dass auch mal ein Witz gepostet werden kann und man einen Mittelweg gehen kann.

Wer darf mitmachen?

Bei den Netzperten handelt es sich ja um ein Peer-to-Peer-Projekt – Jugendliche sollen ihr Wissen an andere Jugendliche weitergeben. Was muss ein Schüler an Qualitäten mitbringen, um als Netzpertin oder Netzperte geeignet zu sein?

Die Netzperten sind ja Vorbilder und dementsprechend müssen sie sich in ihrer Freizeit verhalten. Sie können ja schlecht einen Cybermobbing-Workshop halten und am Abend dann bei Facebook unter Fotos von anderen irgendwelche Gemeinheiten posten. Ihr Verhalten sollte kompatibel zu den Inhalten sein, die sie vermitteln. Ein Vorbild im Netz ist für mich jemand, der überall im Leben nach Werten lebt und diese für ihn daher auch online gelten. Darüber hinaus ist es jemand, der seine Werte auch vertritt und das auch gegen eine Mehrheit. Wenn wir von Cybermobbing reden, ist das jemand der für seine Werte auch aufsteht.

Wie findest du raus, ob die Schülerinnen und Schüler Vorbilder sind?

Ich mache mit denen natürlich keine Gewissensprüfung. Leider kommt auch ab und zu raus, dass bestimmte Schülerinnen und Schüler noch nicht die Reife mitbringen. Ich möchte den Schülern aber auch eine Chance geben und mit ihnen arbeiten, in der Hoffnung, dass sie im Laufe der Ausbildung oder der Multiplikation diesen Lernschritt machen. Ich habe die Hoffnung, dass wenn jemand vorne steht und bestimmte Einstellungen vertritt, dies auch seine eigenen Einstellungen beeinflusst.

Hattest du bei der Auswahl von Schülerinnen und Schülern negative Erfahrungen gemacht?

Das ist vorgekommen und war dann auch ein großes Thema in der Netzperten-Gruppe. Wir haben darüber diskutiert, was das für Auswirkungen hat, wenn ein Netzperte "ausschert". Der bringt dann leider die ganze Gruppe in ein schlechtes Licht. Das war eine große Diskussion im Nachhinein. Wir haben die entsprechende Person aus der Gruppe vorzeitig verabschiedet.

Die Motivation

Wieviel Zeit stecken die Schüler pro Schuljahr in die Netzperten-Ausbildung?

Die Ausbildung umfasst ca. 28 Zeitstunden. Die findet teilweise während der Schulzeit statt, als Zeichen der Wertschätzung. Ein beträchtlicher Zeitanteil liegt in der Freizeit, insbesondere nach der fertigen Netzperten-Ausbildung. Da müssen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf Nachtreffen, müssen Themen vorbereiten oder sie besprechen, wie eigene Workshops laufen sollen oder gelaufen sind.

Was motiviert die Schüler, daran teilzunehmen?

Es gibt ganz typisch die engagierten Schülerinnen und Schüler, die anderen helfen wollen, weil sie sich für das Thema "Cybermobbing" interessieren. Die waren dann schon bei den "Streitschlichtern" aktiv. Dann gibt es Schüler, die sich generell für das Thema "Internet" interessieren. Die wollen sich weiterbilden und über die Gefahren im Internet aufgeklärt werden. Dann gibt es Schüler, die unbedingt das Zertifikat haben wollen oder einen Eintrag ins Zeugnis. Andere sind auch auf die Netzperten-Arbeitskleidung scharf. Es gibt am Ende der Ausbildung für die Teilnehmer einen Pullover bzw. ein T-Shirt. Wenn sie vor ihrer Klasse stehen, sollen sie als Netzperten erkennbar sein. Das schweißt die Gruppe auch zusammen.

Die Teilnehmer

Wer sind die typischen Teilnehmer, bezogen auf das Geschlecht, die Herkunft oder die Noten?

Das hängt von der jeweiligen Schulform ab. Bei einer Werkrealschule im städtischen Bereich haben wir fast nur Schüler mit Migrationshintergrund. Auf dem Gymnasium ist dies eher umgekehrt. Mädchen und Jungen sind ausgeglichen. Deren Interessen sind aber unterschiedlich. Für die Mädchen sind eher die sozialen Themen und für die Jungen eher die technischen oder rechtlichen Themen interessant. In der Regel sind das aber sehr unterschiedliche Schüler. Teilweise sind das engagierte Schüler, teilweise sind das ganz stille Schüler. Man muss aber stets die jeweiligen Begabungen der Schüler berücksichtigen. Nicht jeder kann vor einer Klasse eine Übung anleiten oder moderieren. Einige haben eine eher unterstützende Funktion und engagieren sich außerhalb der Workshops. Vom Alter her sind das meistens Schüler aus der achten Klasse. Mal kommt auch eine siebte oder neunte Klasse vor.

Chancen und Risiken – aus Sicht des Experten

Was siehst du persönlich als die größte Gefahr im Umgang mit dem Internet an?

Die größte Gefahr besteht für mich in der staatlichen Überwachung – auch als die größte Gefahr für eine demokratische Gesellschaft. Überwachung sorgt langfristig dafür, dass sich jeder überlegt, was er sagen kann und was nicht. Die innere Schere im Kopf wird aktiv. Ich merke das auch bei mir selber. Demnächst fliege ich ins Ausland und habe einen Zwischenstopp in den USA. Folglich überlege ich mir, wie kritisch ich mich auf sozialen Netzwerken äußere. Das sollte in einer demokratischen Gesellschaft nicht so sein.

Thematisiert ihr das auch bei den Netzperten?

Unsere Themen richten sich an Fünft- bis Siebtklässler. Da käme das doch recht abstrakte Thema zu früh. Selbst für Acht- bis Zehntklässler ist das ein sehr abstraktes Thema, weil in diesem Alter politisch noch nicht so weit gedacht wird.

Was ist für dich persönlich die größte Chance, die das Internet bietet?

Die Möglichkeit der Vernetzung, dass man ein Netzwerk zu seinen Gunsten nutzen kann, um Neues zu lernen oder sein Wissen zu erweitern. Ich merke selber, wie sehr mir das nützt. Ich kann aber noch viel dazulernen, wie ich dieses Wissensmanagement besser nutzen kann.

Was ist dein persönliches Web-Tool fürs Wissensmanagement?

Ich nutze recht intensiv Facebook, um Neues zu erfahren. Ich bin in mehreren Gruppen drin, die sich mit medienpädagogischen Themen befassen.

Eine ganz ähnliche Ausbildung für Schülerinnen und Schüler bietet das Landesmedienzentrum Baden-Württemberg mit dem Schüler-Medienmentoren-Programm.